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Osborne im Kino

The Entertainer im Schauspiel Bonn

Eine alternde Schauspielerdynastie, eine Ansammlung gescheiterter Existenz. Das ist im Kern Osbornes Klassiker. Ein Kabinettstück für die Londoner Westendbühnen und den New Yorker Broadway. Von den Großen der Schauspielkunst aus guten Gründen gerne gespielt.

In der Bohème lebt und liebt es sich so ganz anders, als in der bürgerlichen Welt, in der Sphäre aus das Publikum stammt. Ein altes Thema der Theaterliteratur des letzten Jahrhunderts. Warum bringt man in Bonn solch ein altertümliches Stück auf die Bretter? So hätte es sich das Publikum noch vor Beginn der Aufführung fragen können. Wenige Minuten später die eindeutige Antwort des Ensembles:

Souverän gibt Glenn Goltz einen Archie Rice, der vollkommen so vollkommen „lost“ ist, wie ihn nur wenige auf die Bühne zu bringen wagten. Groß die Gefahr für einen Schauspieler, der einen Schauspieler spielt, welcher auf der Bühne gnadenlos versagt, mit dem gespielten Charakter verwechselt zu werden. Goltz wagt sich an diesen gefährliche Bruchkante mutig heran. In mancher Szene scheint der Schauspieler Glotz den Schauspieler Archie Rice sogar über dem Abgrund schweben zu lassen.

Das komödiantische Potential von Osbornes Stück in seinem Spiel vollkommen auskosten darf Wolfgang Rüter in der Rolle von Billy Rice, dem Vater Archie´s. Und Rüter wäre nicht Rüter, wenn er diese Gelegenheit nicht mit faszinierend Leichtigkeit seines hochpräzisen Spiels nutzte. Sein perfektes Timing scheint in Bad Godesberg als Pulsschlag dieser Komödie zu wirken. Tritt Billy Rice auf, richtet sich sich die ganze Familienbande nach dem großen Mimen.

Doch kurz vor dem Bankrott drängt Archie seinen Vater Billy, aus dem Ruhestand heraus, noch einmal auf die Bühne. Billy Rice´s Comeback wird zur Katastrophe. Unter Buhrufen und Pfiffen flüchtet Billy von der Bühne. Diese Szene gehört für Schauspieler mit Sicherheit zu den schönsten der Theaterliteratur des Zwanzigsten Jahrhundert. Aber Sebastian Kreyers Regie läßt Billy Rice nicht einen schönen Tod als Entertainer sterben. Schade, denn Rüter hätte aus dieser Szene sicher ein Kabinettstück gemacht.

Doch Kreyers Konzept scheint sich mehr mit dem Leben als mit dem Sterben zu beschäftigen. Die Gespräche drehen sich um aktuelle Fragen, um Zeitgeschichte, um Politik. So wirkt auf elegante Weise das Stück nicht etwa zeitlos, sondern hochaktuell. Gleichzeitig gelingt es Kreyer die Aktualität nur als Assescoires dem Urtext anzuheften, ihn quasi nur modern anzuhübschen. Seine Aktualisierung gelingt auf einer grundlegenden Ebene, die Wirklichkeit spiegelnd und nicht bloß darstellend. In einer Theatertradition dessen britischer Großmeister in seinen Dramen weniger Caesar und Konsorten als den elisabethanischen Hof beschrieb. So darf man den Kammerspielen nur von Herzen wünschen, daß ihr Publikum so klug ist, wie es das Publikum des alten Londoner Globe-Theatre war.

Ausreichend dramatisches Potential hat diese Inszenierung. Sophie Basse als Phoebe spielt eine wunderbar verlorene Frau zeitlos zwischen allen Zeiten und Epochen, Mareike Hein als jugendliche Jean erfrischend im Spiel mit ihrem Großvater Billy. Beinah unbeschreiblich dagegen Spiel und Spiel von Valerij Lisac als Musiker am Klavier und als Darsteller des Stück. Am Piano hoch akkurat und gleichzeitig voller Improvisationskraft. Als Mitspieler ein echter Komödiant. Ein Lob, daß auch Daniel Breitfelders Arbeit an der Rolle von Frank Rise gebürt. Allein seine herrlich schräge Travestie zeigt welches Potential in diesem jungen Schauspieler steckt.

„The Entertainer“ am Bonner Schauspiel ist gutes Theater.
Wirklich gutes Theater: Stück, Ensemble, Regie, Bühne, Licht, Köstüme, Musik und Soufflage. Alles paßt haargenau. Alles ist bis ins Detail stimmig. Alles ist sehr gut gemacht. Ist witzig, intelligent und kritisch zugleich.
Und doch oder genau dehalb bereitet es dem Publikum auch noch großes Vergnügen.

Mehr ist es nicht. Theater eben …

Empfehlung: Unbedingt ansehen!

Besetzung
Billy Rice – Wolfgang Rüter

Archie Rice – Glenn Goltz
Phoebe Rice – Sophie Basse
Jean Rice – Mareike Hein
Frank Rice – Daniel Breitfelder
Musiker (Klavier) – Valerij Lisac

Regie: Sebastian Kreyer hne: Matthias Nebel  Kostüme: Britta Leonhardt  Musikalische Leitung: Valerij Lisac  Licht: Sirko Lamprecht Dramaturgie: Jens Groß  Regieassistenz: Silvana Mammone  Ausstattungsassistenz: Barbara Lenartz  Inspizienz: Andreas Stubenrauch  Soufflage: Kerstin Heim

TERMINE

12 Dez 19:30 H 19 Dez 19:30 H 30 Dez 19:30 H

07 Jan 19:30 H 10 Jan 16:00 H 15 Jan 19:30 H 29 Jan 19:30 H