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Bestürzende Rufe nach Lilja

Ein Theaterabend nach Briefen von Wladimir Majakowski und Lilja Brig.

BERLIN/ysl Lilja ist bereits über achtzig, als das Stück beginnt und in reminiszenten Rückblenden einer der großen Liebesbeziehungen der Literatur des Zwanzigsten Jahrhunderts nachforscht. Die Dreierbeziehung der Brigs und Majakowskis ist keine Amour fou, als vielmehr die einfache Geschichte einer Frau, die mit zwei Männern und nicht zwischen ihnen lebt.

Die russische Revolution macht aus Majakowski, dem futuristischen Provokateur, den berühmtesten Dichter der Sowjetunion. Lilja, Geliebte und Muse, sowie Oleg Brig, sein bester Freund. Ein Stoff, der sich für die Dramatisierung anbietet wie Faustus oder Julius Cäsar. Doch nur selten trauen sich Theatermacher an Majakowskis Liebesbriefe heran. Als Texte sind sie zu schwülstig, naiv, eitel, übertrieben, unmäßig, heldenhaft, ängstlich, fohsinnig, voller Trauer – sind also nicht viel anders als die Liebe selbst.

Dazu Majakowski, eine hühnenhafte Erscheinung, voller Energie, hier noch sensibel, dann wieder voll trotziger Wut. Unter den feingliedrigen Poeten die rote Dampfwalze der Revolution. Eine schwierige Rolle für jeden Schauspieler. Und schwer, hier die rechte Besetzung zu finden. Kai Schubert hat mit Andreas Brendel einen Wladimir gefunden, der sich mit Können, Mut und Verve in die Rolle im Sinne des Wortes hineinstürzt, um einen von Verve und Mut Getriebenen zu spielen. Lilja wird von der jungen Nicole Gospodarek mit solch feingliedriger, nuancenreicher Kraft gegeben, die von beeindruckender Athletik bis hin zu feinstem Spiel reicht. Grandios in jedem Falle der überragende Florian Schmiemann in der Rolle des Oleg Brig. Sein nuancenreiches und präsentes Spiel trieb das Stück, wie man es sonst von den großen und erfahrenen Schauspielern kennt. Ein großartiges Ensemble, eine vielversprechende Inszenierung, eine liebevolle Bearbeitung der Texte Majakowskis und Brigs. Ein Theaterabend, der in der Zukunft auf mehr von diesen jungen Theatermenschen hoffen läßt.

Nur fünf Tage nach der Premiere mußte die Inszenierung aus dem Spielplan der Freien Bühne des Ackerstadtpalast weichen. Zeit genug, faszinierendes Theater zu erleben, und um vier neue Talente zu entdecken. Andernorts würde „Majakowsk+Lilja oder Liebe ist das Herz des Ganzen“ schon bald eine Wiederaufnahme erleben. In Berlin pfeift ein kühlerer Wind.

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