Gott hat mein Herz blöde gemacht*

Eine dramatische Fassung von Joseph Roths Roman HIOB in den Kammerspielen Bad Godesberg.

BONN/ck Die Dramatisierung belletristischer Stoffe scheint die Antwort des Theaters auf mehere Momente des modernen Literaturbetriebes. Dies sind: Die steigende Nachfrage des Publikums, sich Bücher vorlesen zu lassen; die Qualität moderner dramatischer Stoffe; die Produktion aktueller Stoffe, respektive ihre Nichtproduktion. So greift man lieber zu den Klassikern der Moderne und bedient sich aus diesem Füllhorn für die Zwecke der Bühne. Das Roths HIOB auch Thema der gymnasialen Oberstufe ist, mag für die Intendanz auch nicht gegen dieses Opus gesprochen haben. Leider ist Roths HIOB ebensowenig ein dramatischer Stoff, wie man den Österreicher [rod ]mit dem amerikanischen Westküstenintellektuellen [ɹɑːθ] durcheinanderbringen sollte. Schließlich lebt der Zweitgenannte nach wie vor in New York, während Erstgenannter im französischen Exil der Anekdote nach starb, weil ein Herr zu ihm, voll Sorge um die Gesundheit des Dichters, gesagt haben soll „Als ihr Kaiser befehl ich Ihnen: Roth – hörens auf zum Saufen!“, der Exilant darauf erstens dem Willen Otto Habsburgs gehorchte und zunächst dem Suff für drei Tage entsagte, und alsdann nüchtern starb.

Isaak Singer (Wolfgang Rüter), dem Thoralehrer in dem fiktiven שטעטל (Stetl) Zuchnow irgendwo in der russischen Bukowina, wäre es kaum besser ergangen, als ihn sein Glaube wie einst Hiob im Alten Testament verloren ging. Seine drei Söhne zerren ebenso an seiner Rechtgläubigkeit wie seine Tochter Mirjam (genial: Mareike Heim), die lieber mit den Kosaken poussiert als ein keusches Leben zu führen. Die Guckkastenbühne dient ohne Umbauten als Spielfläche. Musikalisch versuchen Rainer und Karsten Süßmilch höchst kreativ perkussionierend, fiedelnd, obertonsingend die jeweils passende Atmosphäre herbeizuzaubern: Schtetl, Mütterchen Rußland und Big Apple… Eine Art Teichoskopie mit den Mitteln der Musik, die leider oft sehr weit im Hintergrund bleiben muß.

Das Schicksal beutelt den alten Singer. Jonas geht zur Armee des Zaren, säuft, hurt, frißt Schweinefleisch und lebt bei den Pferden.
Schemarjah wird vor dem Schicksal der Einberufung gerettet, weil seine Mutter Deborah (Sophie Basse – meisterlich!) ihm die Flucht nach Amerika bezahlt. Da bleibt nur der katatonische Menuchim (Samuel Koch mit Bravour) im Waschzuber, dessen einziges Wort für lange Zeit „Mama“ bleiben soll.

Der Verheißung des Amerikanischen Traumes konnte auch Joseph Roth nicht ganz entfliehen. Schmerjah hat Erfolg in Amerika und holt seine Familie zu sich in die Vereinigten Staaten. Ein Traum. Doch bedeutet es, den Kranken, Menuchim im Rußland zurücklassen zu müssen, weil er keine Chance haben würde, in die USA einzureisen. In Amerika nun geht die Familie unter, als der europäische Krieg zum Weltkrieg wird. Die Staubschicht von Bürgerlichkeit wird durch den Grand Guerre ebenso zerrissen wie alle menschlichen Bande. Isaacs Söhne werden in den Armeen des russischen Zaren und des amerikanischen Volkes sterben. Die schöne Deborah stirbt an gebrochenem Herzen, Mirjam verliert ihre Liebe, und nur der alte Isaak bleibt allein zurück. Hier läuft Wolgang Rüter zu seiner bekannten Höchstform auf und scheint alles und jeden an die Wand spielen zu können
Da taucht ein junger Musiker auf, der lange nach Isaak Singer gesucht hat. Es ist Menuhim (Samuel Koch in einer ergreifenden Darstellung), der über die Musik wieder zur Sprache zurükgefunden hat. Und mit diesem Funken Hoffnung endet der Theaterabend im Godesberg. Freundlicher Beifall für die großartigen Schauspieler, verhaltener für die Regie von Sandra Strunz und die Dramaturgie von Schauspieldirektirorin Nicola Bramkamp.

Manchmal fällt das Publikum mit gutem Grund sein händisches Urteil über eine Inszenierung. Joseph Roths HIOB ist nie ein Drama gewesen und wird es auch nicht am Bonner Stadttheater, sondern bleibt ein Roman. Ein guter zudem, und diese Inszenierung erreicht nicht einmal das Format einer gekürzten Hörbuchfassung.

* und der Allmächtige hat mich erschreckt. Hiob 23:16