Das Herz der Finsternis

…in rascher Bewegung zueilend auf das Herz der Finsternis …

Ein Theaterabend nach Motiven aus Joseph Conrads Erzählung „Das Herz der Finsternis“.

BONN/ck Erinnern Sie sich an diese berühmte Geschichte von Joseph Conrad? Ein Weißer wird irgendwo im Dschungel wahnsinnig und herrscht mit großer Brutalität über seine Station und die dort lebenden Einheimischen. Ein Boot steuert auf dem großen Fluß zu der Station. Auf dem Schiff ein Mann, der den Auftrag hat, den Wahnsinnigen zum Schweigen zu bringen. Francis Ford Coppola versetzte die Handlung aus Conrads Erzählung aus Afrika nach Südostasien zur Zeit des Vietnamkrieges. Conrads Geschichte jedoch handelt vor allem vom europäischen Kolonialismus auf dem afrikanischen Kontinent. Sie spielt im sogenannten „Kongofreistaat“, der privaten Kolonie Leopold II. von Belgien.

Jan-Christoph Gockel (Regie) und David Schliesing (Dramaturgie) versuchen nicht die Erzählung theatralisch zu inszenieren. Sie setzen auf einen dualen Weg, der einerseits die Adaption des Stoffes, andererseits auch die historischen Bezüge beeinhaltet. Der Kongo ist so weit entfernt von Deutschland, daß der Hinweis auf die Berliner Kongokonferenz berechtigt ist, die unter Leitung Bismarcks zur Bildung des Kongofreistaats führte. Auch die Verwendung eines ostdeutschen Defa-Filmberichts über „Kongo-Müller“ demaskiert sowohl das Denken der Kolonialzeit wie das Koloniale in unserem aufgeklärt scheinenden Denken heute.

Es ist die „Idee als Wurzel aller Übel“, die aus Leopolds idealem Staat des Lichts am Ende den dunkelsten Afrikas machen wird. Alois Reinhardt, Hajo Tushy, Laura Sundermann, Benjanim Grüter und Koni Togbonou spielen herzzerreißend genial! Wechseln von der Posse in die Tragödie, vom Witz in den Pathos, von der Revue ins klassische Fach. Perfekt im Timing, präzise in den Übergängen. Am Piano begleitet sie Jacob Suske. Togbonou läßt mit seiner Perkussion den kongolesischen Urwald mitten in Beuel entstehen.

Insgesamt eine großartige Ensembleleistung, zu der auch Julia Kurzwegs Bühnenbild, Amit Epsteins Kostüme, Helmut Bolligs Kostüme und das Team des Theater Bonn beitragen. Man braucht schon viel Können, um in einer alten Lagerhalle den Kongofluß fließen und darauf einen Dampfer fahren zu lassen.

Am Ende spricht Komi Togbonou eine Warnung vor der Zukunft aus, die wie ein Reim auf die Vergangenheit wirkt:
„Wir steuern auf ein neues Herz der Finsternis zu, dunkler als in der der Vergangenheit. (…) Die Schiffe heißen nicht mehr ‚Roi de Belgique‘, sondern ‚Roi d´Afrique‘ und sind eine afrikanische Arche.“

Was man den Theatermachern und den Schauspielern nicht vorwerfen kann, ist irgendwann an diesem Abend auch nur die Spur von Langeweile aufkommen zu lassen. Spielfreude und allerlei klug gesetzte Albernheiten decouvrieren die täglichen Ressentiments unserer Sprache und unseres Denkens in einem erhellenden Lachen.

Das ist Theater auf dem Niveau des Dichters aus Stratford-on-Avon!